Aktuelles vom Zwischenlager Nord Lubmin zusammengefast *Update*

In den letzten Wochen gab es scheibchenweise immer wieder einige interessante Meldungen, die das Zwischenlager Nord (ZLN) bei Lubmin betreffen. Die Lage ist teilweise unübersichtlich und widersprüchlich. Ich komprimiere hier die Nachrichten, um ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen. Im Text sind die Quellen verlinkt. Sie können zu einzelnen Punkten ein ausführlicheres Bild abgeben.

Demo: Lubmin ist überall

Am 10. März meldet der Betreiber des ZLN, die bundeseigenen Energiewerke Nord (EWN), eine Betonabplatzung an einer Kranbahnstütze in der Halle 8. In dieser Halle lagern 74 CASTOR-Behälter. Der meldepflichtige Vorfall beeinflusste laut EWN zu keinem Zeitpunkt die Sicherheit der Lagerbehälter.

Nur einen Tag später wird bekannt, dass ein unabhängiges von Innenminister Lorenz Caffier (CDU) in Auftrag gegebene Gutachten über die künftige Nutzung des ZLN veröffentlich werden soll. Darüber wurde lange gestritten. Das Gutachten wurde erstellt, weil die EWN 2009 beim Land Mecklenburg-Vorpommern beantragt hatten, die bislang auf zehn Jahre befristete Lagerzeit für fremden schwach- und mittelradioaktiven Atommüll in Lubmin abzuschaffen.

GUTACHTEN: EWN-ANTRAG NICHT GENEHMIGUNGSFÄHIG

Ende des Monats März wird das Gutachten veröffentlicht. Ein Ergebnis:

„Es ist von den Antragstellerinnen nicht dargelegt, dass „der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist“ (§ 9 Abs. 1 Ziff. 8 StrlSchV); insbesondere fehlt der Nachweis des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter in Hinblick auf das Risiko terroristischer Anschläge […].“

Konkret läge also kein ausreichender Schutz vor Terroranschlägen vor. Damit sei der Antrag der EWN nicht genehmigungsfähig. Außerdem widerspräche der Antrag dem Regionalen Raumordnungsprogramms Vorpommern 2010. In diesem steht explizit unter Ziffer 6.5. (2):

„Das Zwischenlager Nord soll ausschließlich für die radioaktiven Abfälle der Kernkraftwerke Rheinsberg und Lubmin genutzt werden sowie als Landessammelstelle für radioaktive Abfälle aus Medizin, Wirtschaft und Forschung der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg dienen.“

Damit verstossen auch die letzten CASTOR-Transporte im Dezember 2010 und Februar 2011 nach Lubmin gegen das Raumordnungsprogramm.

EWN Chef Henry Cordes macht indes deutlich, was er von dem Gutachten hält: „Das Gutachten ist eine locker komponierte Auftragsarbeit, die uns nicht tief beeindruckt hat.“ Sollte der Antrag der EWN abgelehnt werden, droht er mit einer Klage.

SICHERHEITSÜBERPRÜFUNG GEFORDERT

Im Zuge der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima und mit dem Wissen des bis zu diesem Zeitpunkt nur ihm bekannten negativen Gutachtens schreibt Caffier am 17. März Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Nicht nur die deutschen Atomkraftwerke sollen einer Risikoanalyse unterzogen werden, sondern auch das ZLN so der Wunsch Caffiers. Am 2. April teilt der Vorsitzende der Reaktorsicherheitskommission, Rudolf Wieland, mit, dass das ZLN nicht überprüft werden wird. Nur wenige Tage später am 5. April heißt es, der Bund werde erst nach dem Stresstest der Atommeiler die Zwischenlager – und damit auch das ZLN bei Lubmin – schrittweise kontrollieren lassen.

ÜBER 100 JAHRE ZWISCHENLAGERUNG UND AUSBAU DES GESCHÄFTS

Am 18. März macht die Schlagzeile einer geplanten Erhöhung der Finanzmittel für die EWN die Runde und sorgt für Spekulationen. Für 2012 bis 2015 sei ein Mehr an 87,3 Millionen Euro geplant. Kritiker befürchten, damit würde das ZLN fit gemacht, um Atommüll aus dem Sanierungsfall Asse II auf die Lagerung im noch zu bauenden Endlager Schacht Konrad aufzubereiten. Die EWN dementieren umgehend und erklären, das Geld werde benötigt, um sogenannte kontaminierte Hot Spots an den Betonteilen der früheren Reaktorblöcke zu beseitigen.

Das später veröffentlichte Gutachten (s.o.) schürt weiter die Zweifel und Befürchtungen der Kritiker:

„Dies bedeutet, dass das ZLN – entgegen dem ursprünglichen Betriebskonzept – von einer Anlage zur Zerlegung und Konditionierung radioaktiver Abfälle/Reststoffe aus dem Abbau insbesondere des Kernkraftwerks Lubmin/Greifswald zu einer faktisch unbegrenzt betriebenen Anlage zur Behandlung/Konditionierung und Zwischenlagerung von festen radioaktiven Reststoffen/Abfällen aus deutschen und ausländischen Leichtwasserreaktoren wird.“

Bereits im Dezember 2010 sorgte die Finanzplanung des Bundes für das ZLN für Aufregung. In dieser wurde klar, dass die Finanzierung des Zwischenlagers bis 2080 verlängert wird. Das ZLN ist bisher aber nur bis 2039 genehmigt. Im nun veröffentlichten Gutachten heißt es zur Lagerungszeit:

„Aus gegenwärtiger Sicht beinhaltet der Antrag also, dass die am Standort Lubmin/Rubenow verbleibenden Reststoffe/Abfälle (rechtlich) für über hundert Jahre an diesem Standort zwischengelagert werden können.“

FAZIT

Die Entwicklungen um das Zwischenlager Nord bei Lubmin sind spannend und beunruhigend. Schnell wird klar, dass die Bürgerinnen und Bürger sowohl vom Betreiber als auch den Politikern eher desinformiert als umfassend informiert werden. Innerhalb weniger Monate wurde aus dem genehmigten Betrieb des ZLN bis 2039 eine geplante Verlängerung bis mindestens 2080 und ein nun im Raum schwebender Betrieb über hundert Jahre, also bis mindestens 2111.

Gegen die Eingrenzung, in Lubmin nur Atommüll aus den Rückbauten der Kernkraftwerke Lubmin und Rheinsberg einzulagern, wurde schon im Dezember 2010 verstossen. Mit dem Antrag der EWN soll diese Hürde komplett wegfallen. Atommüll aus der ganzen Bundesrepublik, ja sogar aus dem Ausland, soll in Lubmin behandelt und zwischengelagert werden können.

Fakt ist: der Atommüll muss weg, vor der Endlagerung muss er behandelt werden. Als zentraler Behandlungs-/Konditionierungsstandort für den kompletten Atommüll aus Deutschland wurde des ZLN aber nicht konzipiert. Bevor das ZLN schleichend dazu ausgebaut wird, muss es einen gesellschaftlichen Dialog geben und keine heimlichen Anträge.

Gerade beim Thema Zwischenlagerung und Behandlung von Atommüll muss es eine große Offenheit und Informationen über alle zukünftigen Schritte geben. Mit widersprüchlichen Meldungen und Handlungen, sowie Gepöbel vom EWN Chef Henry Cordes kann kein Vetrauen und erst recht keine Akzeptanz in der Bevölkerung aufgebaut werden. Auch für die Wirtschaft z.B. den Tourismus ist Planungssicherheit in der Urlaubsregion vorpommersche Ostseeküste ein wichtiger Faktor. Wer investiert schon, wenn in unmittelbarer Nähe für über hundert Jahre ein Atommülllager steht.

Politiker und EWN müssen noch vor den Landtagswahlen im September den Kurs für das ZLN abklären. Soll das Zwischenlager ausgebaut werden? Wie lange soll es betrieben werden? Sind die im Gutachten geäusserten Sicherheitsbedenken gerechtfertigt? Auch wenn der Atomausstieg doch schnell kommt, wird die Atomindustrie Vorpommern noch lange in Atem halten.

Update 06.04.2011 18:30 Uhr: Innenminister Caffier hat heute den Antrag der EWN abgelehnt. Ob die EWN jetzt wie angekündigt klagen, werden die nächsten Wochen zeigen.

Fotos: Demo: linksfraktion // CC BY 2.0; Castor: Oliver Wunder

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