Die Elite der behördlichen Inkompetenz hat erneut zugeschlagen. Ablehnungsbescheid steht fett auf einem Brief vom Jobcenter, den ich gestern erhielt. Der Grund ließ mich stutzen und erhöhte mir den Puls: „Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil sie in Ausbildung sind […].“ Das ist mehr als verwirrend, denn einen Ausbildungsplatz besitze ich nicht und strebe auch keinen an. Mein Studienabschluss reicht mir aus, ehrlich gesagt.
Tag 34: Ein vorläufiger Bewilligungsbescheid
Hier endet die Geschichte, die ich heute erzählen will, mit unschönen Flüchen. Sie fängt aber etwas angenehmer an, genauer gesagt mit einem vorläufigen Bewilligungsbescheid. An Tag 34 meines Lebens im System Hartz IV erreichte mich ein 16seitiger vorläufiger Bewilligungsbescheid.
In so einem Bescheid wird erst ausgerechnet, wie hoch der eigene Bedarf ist und dann werden eventuelle Einnahmen abgezogen, um zu ermitteln, was das Jobcenter monatlich zahlen wird. Mein Bedarf wurde auf etwas über 700 Euro monatlich ausgerechnet, abzüglich aller Einnahmen bleiben ca. 280,00 Euro, die mir das Jobcenter zahlt. Das erscheint auf den ersten Blick gering. Für mehr sind aber die Einnahmen zu hoch. Das könnte ich akzeptieren, wenn denn diese Einnahmen wirklich da wären und mir vollständig zur Verfügung stehen würden. Doch das ist nicht so.
Zwar wird mir die Wohnungsmiete komplett als Bedarf zugestanden und nicht wie zuerst bei Antragsstellung von meiner Sachbearbeiterin versichert, durch zwei geteilt, denn so verteilt sich die hier die Miete in der Wohngemeinschaft. Doch nun werden mir die Mietzahlungen meines Untermieters als Einkommen angerechnet. In diesen Zahlungen sind auch die Kosten für Internet, Telefon, Strom und Kabel-TV enthalten, sie sind somit ungefähr 40 Euro höher als die halbe Miete für die gesamte Wohnung. Diese Untermietzahlungen werden vom Bedarf abgezogen. An der Untervermietung verdiene ich nichts, denn sie ist kostendeckend und ohne Gewinnerzielungsabsicht.
Tag 43: Termin beim Jobcenter
In einem mit dem Bewilligungsbescheid mitgeschickten zweiseitigen Brief vom Jobcenter wurden weitere benötigte Unterlagen aufgelistet, die ich innerhalb von 18 Tagen nachreichen sollte. Um die Unterlagen abzugeben und wegen der Untervermietung nachzufragen, habe ich einen Termin beim Jobcenter gemacht. Seit Antragsstellung hatte die Zuständigkeit für mich vom Jobcenter am Gorzberg zum Team „Selbständige“ in der Spiegelsdorfer Wende gewechselt. Somit hatten auch die Sachbearbeiterinnen gewechselt.
Beim Gespräch sagte die Mitarbeiterin, dass die Anrechnung der Untervermietung korrekt sei. Das sei nun mal die Gesetzeslage und da könne sie nichts machen. Außerdem wollte sie eine Beitragsabrechnung für die Krankenversicherung 2013 sehen. Bis Antragsstellung hatte ich brav als freiwillig Versicherter in die gesetzliche Krankenversicherung eingezahlt, dann dort angerufen und mit Verweis auf die bevorstehende Übernahme der Beiträge durch das Jobcenter die Zahlungen eingestellt. Bis Mai konnte ich also die Beitragsabrechnung vorlegen.
Tag 43: Sie versteht nichts
Die Sachbearbeiterin fragte mich daraufhin mehrmals, was ich seit Mai gezahlt hätte und auch auf die mehrmalige Antwort „nichts“ wollte sie eine Abrechnung der Krankenkasse für die Beiträge seit Mai sehen. Das Problem war, dass sie dachte, ich sei privat versichert und nicht verstanden hat, dass meine Krankenversicherung eine gesetzliche ist. Erst nachdem sich ihr Kollege einmischte, verstand sie es und die geforderte Beitragsabrechnung war unnötig geworden.
Dann wollte sie wissen, wieso ich bei meinem Minijob in einem Monat nur X Euro verdient hätte. Seit Anfang 2013 gelten neuen Gesetze zu Minijobs. In diesem Fall ist der durch den Minijobber aufgestockte Rentenversicherungsbeitrag der springende Punkt. Da die Beiträge von einer hohen Bemessungsgrundlage ausgehen, muss man, wenn man weniger verdient, die Differenz von seinem Lohn zahlen. Das ist schon schwierig, aber trotz Erklärungsversuchen hat sie es nicht verstanden, dabei sollte man davon ausgehen, im Jobcenter wüsste man ansatzweise etwas über Arbeitsmarkt-Gesetze.
Nächster Punkt: Einnahmen durch Selbstständigkeit. Da ich bei Antragsstellung meine Einnahmen und Ausgaben für den Bewilligungszeitraum (BWZ) von sechs Monaten schätzen musste, hatte ich die bisher im Jahr erfolgten Einnahmen durch die bisherige Monatsanzahl geteilt und das dann eingetragen. Ausgaben hatte ich keine angegeben, denn die sind gering und kaum vorherzusehen, daher wollte ich sie erst nach Ablauf des BWZ mit der geforderten Endabrechnung einreichen.
Im Gespräch sagte mir die Sachbearbeiterin, dass ich nicht nachträglich in der Endabrechnung Ausgaben angeben könnte, die ich nicht vorher in der Antragsstellung angegeben hätte. Die würden nicht berücksichtigt werden, höhere oder niedrigere Einnahmen dagegen schon. Äh bitte?
Als ich dort fertig war und sie mich mit ihren Aussagen und Fragen genug verwirrt hatte, rief mich noch der zuständige Mitarbeiter für die Eingliederung, sprich Jobsuche, in sein Zimmer und fragte nach dem aktuellen Stand der Bewerbungen. Zähneknirschend nahm er ohne Nachweis zur Kenntnis, dass zwei der Vermittlungsvorschläge bereits abgesagt hatten. Dann war es das schon.
Tag 43: Kompetente Beratung bringt Licht ins Dunkle
Nach so viel verwirrenden und falschen Aussagen hatte ich erstmal eine kompetente Beratung nötig und habe sie noch am selben Tag beim Diakonischen Werk bekommen. Die Aussage zur Endabrechnung meiner Einnahmen und Ausgaben sei falsch und ich können eine neue Prognose einreichen, die dann berücksichtigt werden muss, das sei ratsamer, als erst nachträglich Ausgaben geltend zu machen. Zur Untervermietung hieß es, dass die Anrechnung der Mietzahlungen als Einnahmen möglicherweise für mich sogar gut sei. Das könnte bestimmte Freibeträge mit sich bringen. Auf jeden Fall würde man mich zu einem Termin beim Jobcenter begleiten.
Doch die Terminfindung gestaltete sich schwierig, so dass der gemeinsame Besuch beim Jobcenter vorerst ausblieb. In der Zwischenzeit reichte ich einige der geforderten Unterlagen nach – andere lagen mir noch nicht vor – und eine aktualisierte Prognose meiner Einkünfte mit einer exakten Ausgabenplanung. Wenige Tage später, erzählte mir meine Sachbearbeiterin am Telefon, dass sie die Unterlagen bearbeitet hätte und der Bescheid nun rausgehen würde. Sie hätte nicht alle Ausgaben berücksichtigen können, aber das würde ich ja selbst sehen.
Tag 61: Showdown am Montag
Und das sah ich dann. Statt eines neu ausgerechneten vorläufigen Bewilligungsbescheids, kam der Ablehnungsbescheid und ein zweiter Brief, in dem weitere Unterlagen angefordert wurden. Merkwürdig daran ist, dass das bisher gezahlte Geld nicht zurückgefordert wird. Montag um 9 Uhr beginnt die Fortsetzung dieser Geschichte. Dann fordern mein Begleiter von der Diakonie und ich beim Jobcenter eine Erklärung für die Ablehnung und die Unterstellung, dass ich in Ausbildung sei.
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Mehr aus dem Leben im System Hartz IV lesen:
- Tag 1 – Es beginnt
- Tag 3 – Bewerbungen
- Tag 33 – Der erste Monat ist rum
- Tag 60 – der Ablehnungsbescheid (hast du gerade gelesen)
- Tag 61 – eine falsche Hoffnung
- Tag 62 – Aufklärung
- Tag 108 – Es ist vorbei
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das sind doch „wunderbare“ Neuigkeiten… Die können einen aber auch zornig werden lassen. Wenn man dann noch erfährt, dass die Mitarbeiter im JobCenter oftamls maximal für 2 Jahre maximal eingestellt werden, sträubt es mir die Haare..
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Wie ich schon oft gebloggt habe:
Wer sich nicht wehrt, macht was verkehrt.
Grundsätzlich JEDEN Bescheid von Behörden anzweifeln und gründlich prüfen/prüfen lassen; und dann in Widerspruch gehen, schriftlich, und keine Fristen versäumen.
Ich habe seit Jahren keinen Bescheid gesehen, der fehlerfrei war.
Ansonsten mein Mitgefühl wegen des Spitzenpersonals in HGW.
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Mein Beileid zu dieser sinnlosen Vernichtung von Lebenszeit. Wie wohl erst ein Nicht-Akademiker gegängelt wird…