Leben im System Hartz IV: Tag 3 – Bewerbungen

Lebenslauf
Screenshot vom Lebenslauf.

Es ist Samstag und der dritte Tag im System Hartz IV. Kein freies Wochenende, denn ich schreibe aufgezwungene Bewerbungen. Auf vier mir überreichte Stellenangebote sogenannte Vermittlungsvorschläge muss ich mich zeitnah bewerben, spätestens am dritten Tag nach deren Erhalt und dies dem Jobcenter gegenüber nachweisen, so steht es in der von mir unterschriebenen „Eingliederungsvereinbarung“. Also muss ich spätestens heute die Bewerbungen abschicken.

Bewerbungsvorbereitungen an Tag 2

Nachdem ich Tag 1 mit allerlei Amtsgängen und Zweifeln verbrachte, ob ich den SGBII-Antrag wirklich unterschreiben soll und mich damit in die Zwänge des Systems Hartz IV begebe, schrieb ich an Tag 2 meinen Lebenslauf und ging zum Photographen meines Vertrauens, um Bewerbungsfotos anfertigen zu lassen. Außerdem versuchte ich den Stapel Papier vom Jobcenter zu ordnen. Es blieb beim Versuch.

Zertifikate und Bescheinigungen will ich Samstagmorgen im Rechenzentrum einscannen und stehe dort angekommen vor verschlossener Tür. Ausnahmsweise ist am Samstag mal geschlossen. Bleiben die Unterlagen also vorerst nicht eingescannt. Auch habe ich noch kein Diplom-Zeugnis, daher muss der Notenspiegel reichen, aber ob das auch den Personalverantwortlichen reicht? Die Bewerbungsunterlagen werden erstmal nicht sehr umfangreich und aussagekräftig.

Bei meinem Besuch im Jobcenter am Donnerstag hatte mir meine Sachbearbeiterin vier Vermittlungsvorschläge ausgedruckt und zusammengetackert. Dabei ist sie durcheinandergekommen und hat teilweise einige Seiten falsch einsortiert. Ich sitze am Küchentisch und sehe mir die Vermittlungsvorschläge an. Sie enthalten alle relevanten Informationen zum Stellen- und Bewerberprofil.

Ich bin nicht qualifiziert und muss mich doch bewerben

Bereits beim ersten Vorschlag fällt mir auf, dass ich die vom Arbeitgeber geforderte Kenntnisse und Fertigkeiten nicht mitbringe. Dort wird erwartet, dass ich über „Erweiterte Kenntnisse“ im Haushaltsrecht verfüge, dazu wird gewünscht, dass ich Kenntnisse über Haushalts- und Fördergrundsätze des Landes NRW besitze. Außerdem soll ich Erfahrungen im Bereich Umweltwirtschaft nachweisen, doch die besitze ich ebenfalls nicht. Ich bin für diese Stelle nicht qualifiziert. Durch eine simple Abfrage hätte das meine Sachbearbeiterin herausfinden können, doch nun muss ich mich darauf bewerben und mache somit mir und dem potentiellen Arbeitgeber unnötig Mühe.

Der zweite Vermittlungsvorschlag erfordert Kenntnisse in der Luftbildauswertung, über die ich nicht verfüge. Zudem ist zeitlich befristet auf sechs Monate. Gut, das ist vielleicht nicht sehr attraktiv, andererseits kann ich so mal reinschnuppern, ob mir das Arbeitsfeld liegt.

9,5 Wochen arbeiten

Vermittlungsvorschlag Nummer drei ist eine Stelle im Schichtdienst bei einem Fernerkundungsunternehmen. 40 Stunden die Woche geht es von 6 – 14:30 Uhr oder 14:30 bis 23 Uhr vor den Rechner. Dann lese ich den Eintrittstermin: 27.05.2013 und dass die Stelle befristet bis 31.07.2013 ist. Auch hier bringe ich die erforderlichen kartographischen Fähigkeiten nicht mit. Angesichts der Befristung scheint mir das aber sehr hilfreich. Ich glaube noch daran, etwas besseres zu finden als einen neuneinhalbwöchigen Job.

Beim vierten Angebot kann ich endlich alle Anforderungen erfüllen. Doch dafür liegt es irgendwo auf dem Dorf im Erzgebirge. Aber auch diese Bewerbung schreibe ich und schicke sie wie die anderen per E-Mail raus. 

Insgesamt schicke ich an diesem Tag fünf Bewerbungen raus. Ein Stellenangebot davon habe ich mir selbst gesucht und bin tatsächlich daran interessiert. Im Nachhinein stelle ich fest, dass ich Fehler in den Bewerbungen habe, die durch den Zeitdruck entstanden sind. Wenn ich nicht mitspiele, werden mir die Bezüge gekürzt, noch bevor ich das erste Geld erhalte. Ich hasse das Spiel bereits jetzt schon.

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13 Kommentare


    1. Guter Artikel, um auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden! 😉 Ich sehe das ja gar nicht so verbissen und habe keine Scheu, mich bei Stellen zu bewerben, bei denen ich nicht sofort alle Anforderungen erfülle. Der Artikel sollte auch nicht so klingen, als ob ich entmutigt sei. Ich möchte nur eine Darstellung des Systems Hartz IV zeichnen, damit mehr Menschen wissen, dass es kein Luxusleben ist und viele Absurditäten bereit hält.

      Das Problem an der Uni ist, dass da fast ausschließlich Personen arbeiten, die nie oder vor langer Zeit Bewerbungen geschrieben haben. Da gibt es kein Know-How. Und an die Infos aus der Schulzeit erinnere ich mich nicht mehr, außerdem sind sie wohl veraltet.

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  1. Was erwartest Du denn? Du bist gerade mit Deinem Abschluss fertig, Dir fehlt es an Berufserfahrung, aber dennoch musst Du Dir in Deutschland keine Sorgen ums Überleben machen.

    Findest Du die Auflagen der AfA wirklich so erdrückend?
    21 Tage angemeldeten Urlaub, telefonisch erreichbar sein, ab und an ein Treffen und ein paar wenige Bewerbungen im Monat (die dank Copy-Funktion zeitlich schnell abgearbeitet werden können) sind doch eigentlich nicht zuviel verlangt für einen Menschen mit Hochschulabschluss…dafür stellt man Dir ein „(Start)Gehalt“ von mehr als 1000Euro zzgl. Zahlung von Zusatzkosten. Nicht anders (und meistens noch viel mehr) ist es wenn Du einen Vollzeit-Job hast.

    Kleiner Tip aus eigener Erfahrung (wir haben alle mal angefangen)…such Dir einen kleinen Stunden-Job, dann lässt man Dich auch in Ruhe. Du gilst dann als vermittelt und beziehst für das Amt nur ergänzende Leistungen.

    PS: Wenn Du hier nicht so öffentlich auf Fehler in der Bewerbung hinweisen würdest, wäre es den Adressaten und der AfA möglicherweise nicht mal aufgefallen.;)
    Deinen Lebenslauf würde ich wenn möglich auf zwei Seiten kürzen…wegen der Übersichtlich- und schnellen Lesbarkeit.

    LG und weiterhin viel Erfolg!

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    1. Meine Erwartungen sind die, dass ich mir selbst einen Job suche und dabei Unterstützung von der Arbeitsagentur erfahre in dem sie mir a) passende Stellenangebote liefert b) mir so lange den Lebensunterhalt sichert und c) eventuelle Weiterbildungen anbietet. Dazu gehört nicht mir sofort eine fragwürdige Maßnahme aufzudrücken und mir mit einer Kette aus Maßnahmen und Ein-Euro-Jobs zu drohen. Unmotiviert bin ich nicht und getreten werden muss ich auch nicht.

      Wie kommst du genau auf die über 1.000 Euro? 382 € Regelsatz + 125 € Krankenkasse + 15 € Pflegeversicherung + Miete (inkl. NK)?

      Ob man mich mit meinen kleinen mehreren Jobs in Ruhe lässt, werde ich ja sehen, wenn sie mir meinen Bewilligungsbescheid schicken. Aktuell sieht es nicht danach aus.

      Ach, ich glaube nicht, dass die Unternehmen erst groß googeln müssen, bevor sie Fehler in den Unterlagen entdecken. Oder bist du etwas so auf meine Seite gekommen, um mir das freundlich mitzuteilen? 😉

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  2. Wenn du die Anforderungen nicht erfüllst ist es doch super! Kommt halt drauf an, was du willst: wirklich Arbeit via Jobcenter finden oder nur Geld bekommen und in Ruhe schauen wie und wo es weitergehen kann?

    Wenn du erstmal nur Ruhe haben willst, dann mach die Bewerbungen so fertig, dass die aufm Amt nichts bemängeln können, aber mach sie auch so, dass du dich selbst nicht anstellen würdest (Okayes, aber nicht sympathisches Foto, nicht zu teures Papier, etc., keine extra Bewerbungs-Mappe 😉 ). Formal sind die Bewerbungen dann raus, die Vereinbarung mit dem Amt ist eingehalten. Aber nach einem halben Jahr brauchst du dann spätestens eine andere Strategie, weil dann die Zumutbarkeiten andere werden und du für die langsam aber sicher unter Langzeitarbeitslosigkeit läufst.

    Grundsätzlich finde ich es gut, dass das alles mal jemand aufschreibt. Denn dir geht es ja nicht alleine so. Deswegen ist es wichtig, dass mal jemand beschreibt wie stressig und belastend das Ausgeliefertsein beim Amt ist.

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    1. Mir geht es vor allem darum zu zeigen, wie die Verhältnisse sind. Die meisten Menschen werden doch wohl sehr uninformiert zum Jobcenter gehen und ohne viel Vorwissen, wie ihre Rechte sind. Von daher sind meine „Fehler“ typische Fehler.

      Arbeit werde ich definitiv ohne das Jobcenter finden. Die Jobbörse dagegen ist schon sehr hilfreich, aber da würde ich auch reingucken, ohne dazu gezwungen zu werden. Meine Bewerbungsunterlagen werden bald gut genug aussehen. Es ist ja auch nicht so, dass es an interessanten Stellenangeboten mangelt.

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  3. Danke das du alles aufschreibst zu dem Thema,sehr informativ. Ich nehme an mit deinem Abschluß wirst du wohl nicht allzu lange mit Jobcentern zu tun haben. Da ich bereits seit Jahren mit der anderen Seite des Tisches dort konfrontiert bin, lernte ich schnell damit umzugehen-diplomatisch aber resolut. Es hat System es einem so unangenehm wie möglich zu machen. Bitte weiter schreiben.Gruß

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  4. Ich drücke die Daumen für die Jobsuche und das „Ringen“ mit dem Hartz-IV-System!
    Ich hoffe, es klappt mit einem Beruf (möglichst nicht bloß Job) im Geo-Bereich.

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