Zug verkehrt heute in umgekehrter Wagenreihung

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die große Umwälzungen hervorrufen. Manche wie die umgekehrte Wagenreihung bei der Bahn sorgen für Unterhaltung bei den Einen und Frust bei den Anderen. Eine Momentaufnahme im fahrenden Zug.

ICE im Berliner Hauptbahnhof
Berlin Hauptbahnhof. Gleis 13. Der ICE nach Kassel fährt ein. Noch ist alles in Ordnung.

Gleich setzt die wohl größte Wanderung zweibeiniger Säugetiere in Europa ein. Auslöser ist weder die Suche nach einem Partner zur Fortpflanzung noch Nahrungsbeschaffung. Klein und unscheinbar läuft ein Satz über die digitale Anzeigetafel am Berliner Hauptbahnhof auf Gleis 13.

Dieser Satz verspricht Chaos und auf der anderen Seite Schadenfreude für jeden erfahrenen Bahnreisenden: „Der Zug verkehrt heute in umgekehrter Wagenreihung“. Jetzt gilt es schnell zu schalten, umzudenken, den eigenen Sitzplatz zu finden und das sich abzeichnende Tohuwabohu entspannt zu genießen.

Über Lautsprecherdurchsagen wurde die geänderte Wagenreihung natürlich nicht mitgeteilt – warum auch? Die Stimme mit den zusammengeschnittenen Wort- und Satzfragmenten vom digitalen Band erweist sich als reichlich unflexibel. Allerdings sagt sie brav den richtigen Standort der 1. Klasse durch. Erstklassig! Personen mit Sehschwäche, auf den letzten Drücker Kommer und die Unachtsamen sind über ihr kommendes Unheil im Ungewissen.

Noch haben sie sich mühsam ihre Reservierung, Wagen- und Sitzplatznummer gemerkt und dann ist doch alles für die Katz. Endlich haben sie mal die Wagenstandsanzeige am Bahnhof verstanden, stehen im vermeintlich richtigen Abschnitt, doch nun fährt der richtige Wagen einfach vorbei. Es sprintet, wer kann oder es wird, wo man steht, eingestiegen und der lange Marsch durch den Zug kann losgehen. Der ICE nach Kassel fährt los.

15 Minuten nach Abfahrt schieben sich immer noch von links und rechts die Menschen- und Gepäckmassen vorbei auf der verzweifelten Suche nach dem richtigen Wagen oder Sitzplatz. Während ihrer Suche kommt es häufiger vor, dass sie erst vorbei laufen, um dann wieder umzudrehen und ihren Platz endlich zu finden. Bepackt mit Koffer, Kinderwagen, Laptoptasche oder Rucksack drängen dicke, dünne, kleine, große, alte und junge Menschen aneinander vorbei. Es geht eigentlich viel zu gesittet zu.

Irgendwann ist die Wanderung beendet. Bis zum nächsten Zusteigebahnhof. Das Schauspiel wiederholt sich. Wieder laufen minutenlang verwirrte Menschen durch den Zug und suchen „ihren“ Platz, bleiben verwunderten Blickes vor den automatischen Glastüren zwischen den Abteilen stehen, weil diese sich oft genug nicht von alleine öffnen. Vielleicht machen das die Zugbegleiter ja ab und zu extra, um ihre Stammgäste zu erheitern.

Bahnreisen ist halt doch aufregender als eine Autofahrt. Selbst, wenn die Bahn mal pünktlich ist und man alle Anschlüsse bekommt, bietet sie immer wieder Gesprächsstoff oder macht sich unbeliebt. Der erheiternste Grund dafür ist wohl die umgekehrte Wagenreihung. Den Jackpot hat man erwischt, wenn der Zug nicht nur falschrum kommt sondern auch auf dem falschen Gleis nebenan und auf der Anzeigetafel ein falsches Ziel steht. Doch das ist dann selbst für alte Hasen zu verwirrend.

Foto: Oliver Wunder / CC-Lizenz

3 Kommentare


  1. Ich durfte neulich doppelt wandern. Der ICE war in Doppeltraktion und kam unangekündigt mit vertauschten Zugteilen. Also mussten alle zum jeweils anderen Zugteil rennen. Als dann alle saßen, wurden die Nummern der Wagen geändert. Dann durften alle wieder aussteigen und in den anderen Zugteil wechseln. Die Folge: 15 Minuten Verspätung. Und der Schaffer hat sich noch nicht mal entschuldigt… So ist sie eben unsere Bahn: Eigentlich ganz gut, aber total kommunikationsunfähig.

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  2. Bei einem ICE3 mit 2 Zughälften (ohne Durchgang) kann „umgekehrte Wagenreihung“ gleich 4 Möglichkeiten bedeuten: die Zughälften vertauscht und/oder in sich verdreht. Da hat man selbst als inteligenter und bahnerfahrener Mensch Probleme, die Anzeige bzw. Ansage richtig zu verstehen. (zB. Südkreuz Richtung München am So, öfters)

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