Krisenreaktion auf Extremismus-Comic der SPD mangelhaft *Update*

Comic im vorwärts März 2012
Umstrittener Comic von David Fükeli im vorwärts März 2012.

Während sich die Polizei in Bayern mit rassistischen Karikaturen in Kalendern rumschlägt, gibt es auch bei der SPD einen kleinen Skandal um einen Comic. In der März-Ausgabe der Parteizeitung vorwärts befindet sich auf Seite 27 ein Comic von David Fükeli. Unter dem Titel „Links und rechts und diagonal“ sollen sowohl Links- als auch Rechtsextremisten satirisch aufs Korn genommen werden.

Doch viele Leserinnen und Leser stößt das mehr als sauer auf. In einem offenen Brief an den vorwärts-Chefredakteur schreibt Julian Zado von der SPD-Jugendorganisation Jusos, dass der Comic „übelste und dümmste polemische Hetze“ sei. Er kritisiert nicht nur die pauschale Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus, sondern auch einen Angriff gegen die eigenen Mitglieder.

Der Linksextremist im Comic ist nämlich in einem „sozialistische Jugendtreff“ aktiv. Eben solche betreiben die ebenfalls der SPD nahestehenden Falken. „Der Vorwärts hat mit diesem Comic vielen tausend aktiven Jusos und Falken direkt ins Gesicht geschlagen […]“, schreibt Zado.

Am Freitag, den 2. März, erreichte die vorwärts-Ausgabe die meisten SPD-Mitglieder. Um 14:26 Uhr ging der erste kritische Kommentar auf der Facebook-Seite des vorwärts ein. Seitdem sind mindestens 29 Kommentare zu dem Thema eingegangen, die von sachlicher Kritik bis zu „bei euch hackts doch, oder?“ reichen (Stand: 04.03.2012, 16:40 Uhr).

Bis auf den Retweet des offenen Briefs blieb eine offizielle Stellungnahme auf die empörten Kommentare bisher aus. Auch am arbeitsfreien Wochenende ist ein Statement a la „Wir nehmen eure Kritik ernst und werden uns dann und dann ausführlicher dazu äußern“ möglich.

Hier zeichnen sich die Schwächen von Social Media ab. Zwar kann mit den Usern interagiert werden, doch dazu bedarf es auch der Reaktion durch die Seitenbetreiber. Die Ausrede, am Wochenende würde nicht gearbeitet, kann nicht zählen. Comic 29 Kommentare sind noch kein großer Shitstorm, doch auch nicht sonderlich positiv für das Image.

Die März-Ausgabe 2012 des vorwärts inklusive des Comics auf Seite 27 gibt es hier:

Update 05.03.2012 10:00 Uhr: Auf comicgate.de gibt es ein Interview mit dem Zeichner David Fükeli.

Update 10.03.2012 13:55 Uhr: Bereits am 5. März nahm der vorwärts-Chefredakteur Uwe Knüpfer Stellung zu den Vorwürfen. Das brachte allerdings weitere Kritik mit sich. In einem Kommentar am 8. März bei Facebook versprach er : „In der nächsten Ausgabe des vorwärts werden wir das Thema aufgreifen. Wir werden die Wissenschaft, Kritiker des Comics und auch David Füleki zu Wort kommen lassen. Ich hoffe, das ist auch in Eurem Sinn.“

6 Kommentare


  1. aua! Ich finde den Comic o.k. . Was soll das für eine Welt werden? Hier Betroffenheit zu heucheln ist die eine Sache. Immer locker durch die Hose atmen. Auch wenn Deine Meinung eine andere ist, lass doch den Leuten ihre Wahrnehmung. Der Comic beschreibt auf treffende Weise das was sehr viele Menschen wahr nehmen. Viele Linke benutzen die Methoden der Rechten und halten sich dabei auch noch für bessere Menschen.
    Das kann man auch durch Entrüstung nicht einfach weg wischen.
    Das hier der von Dir gewünschte shitstorm ausbleibt wundert mich nicht. Denn alle Kritiker des Comics fordern ja jetzt schon eine gewisse Zensur.

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    1. Satire lebt von Überspitzung, vom Bruch mit Konventionen und Provokation. Doch manchmal geht das zu weit z.B. dann wenn sich eigene Mitglieder heftig angegriffen fühlen. Die weitere Anfeuerung gesellschaftlicher Klischees ist in diesem Fall auch nicht besonders lustig.

      Rechtsextremisten und Linksextremisten wollen nicht das gleiche, auch wenn Personen wie Erika Steinbach behaupten die NSDAP sei eine linke Partei gewesen.

      Was Menschen wahr nehmen, wird durch viele Dinge von Außen beeinflusst. Eine bildungspolitische Aufgabe ist es, falsche Warnehmungen richtig zu stellen. Beispielhaft sei die falsche Wahrnehmung rausgegriffen, Linksextremisten würden Autos anzünden. Wir erinnern uns an die Brandserie in Berlin, wo alle Welt „Linksextremismus!“ gerufen hat, auch wenn die Polizei im August 2011 offziell keine Verbindung zum Linksextremismus sah (vgl. http://www.tagesschau.de/inland/brandanschlaege108.html). Der gefasste Haupttäter war übrigens auch kein Linksextremist (vgl. http://www.stern.de/panorama/berliner-auto-brandstifter-gefasst-brandserie-wegen-frust-und-neid-1742234.html). Dennoch werden brennende Autos in Berlin immer noch mit „linken Krawallbrüdern“ gleichgesetzt, auch wenn die Fakten in diesem Fall dagegen sprechen.

      Auf der einen Seite die Angst vor brennenden Autos und angeblicher linksextremistischer Gefahr und auf der anderen die jahrelang ungehindert agierende rechtsextreme Terrorzelle der NSU mit zehn Morden und mehreren Sprengstoffanschlägen. Die Diskrepanz zwischen „wahrgenommener“ linker Bedrohung und tatsächlichem rechtem Terrorismus kann gar nicht größer sein.

      Jetzt in dem Parteiblatt einer eigentlich „linken“ Partei so eine Gleichsetzung zu veröffentlichen, ist nicht lustig und erfordert eine Stellungnahme der Chefredaktion.

      Mit Zensur hat das nichts zu tun.

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  2. Hallo Oliver

    ich habe drei Jahre lang das Social Media Team beim vorwärts geleitet, konzentriere mich aber seit März 2012 auf mein Institut: http://www.ikosom.de

    Dadurch ist es so, dass im Augenblick alle Social Media Tätigkeiten von der Redaktion erledigt werden, insbesondere von den beiden Volontären, welche die Kanäle betreuen.

    Du hast natürlich recht, das in Zeiten von Web 2.0 eigentlich schnell reagiert werden sollte. Andererseits muss man jetzt auch erstmal dem Chefredakteur die Gelegenheit geben, eine Antwort zu formulieren.

    Ich vermute also, dass die Redaktion und auch das Social Media Team durchaus die Reaktionen auf Twitter und Facebook gelesen hat – der Chefredakteur wurde auf jeden Fall informiert.

    Aber ich vermute auch, dass sich die Volontäre überlegt haben, abzuwarten, wie der Chefredakteur reagieren will – um nicht einer Reaktion vorzugreifen.

    Viele Grüße

    Karsten

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    1. Hallo Karsten,

      vielen Dank für die Ansichten der inneren Vorgänge! Wie oben schon geschrieben, ist aber auch ohne Rücksprache mit dem Chef ein kurzes Statement, wie jetzt geschehen, möglich.

      Beste Grüße

      Oliver

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      1. Hallo Oliver

        na ja, versetzte Dich mal in die Lage: die online-affinen Redakteure und Volontäre kriegen mit, dass da ein Mini-Shitstorm entsteht, wo massiv der Chefredakteur unter angegriffen wird. Anders als den Chefredakteur zu informieren, ist in so einer Situation überhaupt nicht drin.

        Lg

        Karsten


  3. shitpuff ist wohl besser… das Interview sagt alles…

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