Zensus 2011 – Deutschland wird gezählt

Nach den Plänen der Bundesregierung soll es im Jahr 2011 in Deutschland eine Volkszählung, den Zensus 2011, geben. Über zwei Jahrzehnte liegen die letzten Zählungen für West- und Ostdeutschland zurück. Was ist überhaupt eine Volkszählung und wozu brauchen wir sie? Gibt es diesmal wieder Proteste?

Volkszählungboykott1983
Plakat mit Boykottaufruf zur Volkszählung 1983. Quelle: wiki.vorratsdatenspeicherung.de

LETZTE VOLKSZÄHLUNG 1981 (DDR) & 1987 (BRD)

Für die wiedervereignigte Bundesrepublik Deutschland gab es bisher noch keine eigene Volkszählung. Vor der Wiedervereinigung fanden 1981 in der DDR und 1987 im Westen die letzten Volkszählungen statt. Die Volkszählung 1987 in Westdeutschland sollte bereits 1983 stattfinden, doch es gab großen Widerstand in der Bevölkerung. Die Beschwerden gegen das Volkszählungsgesetz führten zu einem wichtigen Urteil des Bundesverfassungsgericht. Im sogenannten Volkszählungsurteil etablierte das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und fällte somit eine wichtige Entscheidung für den Datenschutz. Die Volkszählung wurde gestoppt und 1987 in entschärfter Form durchgeführt.

30 Jahre nach der Zählung in der DDR und 24 Jahre nach der in Westdeutschland soll die Bevölkerung Deutschlands also wieder gezählt werden. Wobei nicht einfach nur die EinwohnerInnen gezählt werden. In der Volkszählung werden auch Angaben zu Wohnung, Beruf, Lebensverhältnissen, Religion, Migrationshintergrund und mehr gesammelt.

WOZU BRAUCHEN WIR ÜBERHAUPT DIESE DATEN?

Zensus 2011 LogoDer Zensus ist eine Momentaufnahme der Bevölkerung Deutschlands. Er dient hauptsächlich der Feststellung der amtlichen Einwohnerzahlen. Durch jahrelang angehäufte Fehler bei der Fortschreibung (Verrechnung mit Sterbe- und Geburtszahlen, mit Zu-, Weg- und Umzügen) der alten Volkszählungsdaten sind deutliche Abweichungen vom realen Wert zu erwarten. So wird z.B. damit gerechnet, dass ca. 1,3 Millionen Menschen weniger in Deutschland leben als angenommen. Auch wurden 1987 von Verweigerern bewusst falsche Angaben gemacht. Die korrekte Einwohnerzahl ist wichtig für den Länderfinanzausgleich, die Einteilung der Bundestagswahlkreise, die Stimmenverteilung der Bundesländer im Bundesrat oder die Sitze Deutschlands im Europaparlament. Aber auch für kommunale Aufgaben ist es wichtig aktuelle Bevölkerungsdaten zu haben. So lässt sich beispielsweise der Bedarf an Plätzen in Schulen besser ermitteln.

Außerdem möchte die Bundesregierung Informationen zum Wohnraum, zur Bildung und zum Erwerbsleben erhalten. „Wie viele Erwerbstätige gibt es, wie viele Menschen davon sind selbstständig? Wie viele Wohnungen gibt es in Deutschland und wie sind sie ausgestattet?“

METHODEN/ABLAUF

Im Gegensatz zur letzten Volkszählung soll der Zensus 2011 hauptsächlich registergestützt ablaufen und nur 9,6 Prozent der Bevölkerung sollen direkt befragt werden. Registergestützt heißt, dass Daten aus Melderegistern der Kommunen, der Bundesagentur für Arbeit und Daten der öffentlichen Arbeitgeber zusammengeführt und ausgewertet werden. Stichtag für die Erhebung der Datengrundlage und den Beginn der persönlichen Befragungen ist der 9. Mai 2011.

Ablauf Zensus 2011
Zeitlicher Ablauf des registergestützten Zensus 2011

Neben der registergestützten Volkszählung ist die direkte Befragung der Menschen ein wichtiges Instrument des Zensus 2011. Ca. 7,9 Millionen EinwohnerInnen werden durch Zufall ausgewählt. Wer allerdings in Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften wie Internaten, Studierendenwohnheimen, Klöstern und Seniorenwohnheimen wohnt, wird definitiv befragt, da hier die Fehlerrate in den Melderegistern besonders groß sei.

Hinzu kommt, dass BesitzerInnen von Immobilien (Häsuer und Wohnungen) noch zusätzliche Angaben im Rahmen der Gebäude- und Wohungszählung machen müssen. Darunter fallen Angaben zum Baujahr der Immobilie aber auch ihre Ausstattung (z.B. Dusche oder Bad). Insgesamt werden so dann um die 30 Prozent der Bevölkerung aktiv am Zensus teilnehmen müssen.

Wer zur Auskunft aufgefordert wird, muss dieser Aufforderung nachkommen und die Fragebögen ausfüllen. Ansonsten droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5.000 Euro.

Mit ersten Ergebnissen des Zensus 2011 wird im November 2012 gerechnet. Ab Mai 2013 sollen dann die detaillierten Auswertungen vorliegen. Ob die Einwohnerzahl von Deutschland dann noch über 80 Millionen liegt? Ganze 750 Millionen Euro wird Deutschland dann für die Beantwortung dieser Frage ausgegeben haben. So hoch belaufen sich nämlich die aktuellen Schätzungen für die Kosten des Zensus.

PROTESTE GEGEN ZENSUS 2011

Aus der Netzgemeinde und von BürgerrechtlerInnenn und DatenschützerInnenn wird Kritik am Zensus 2011 geäußert. Ein AK Zensus wurde von dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung eingerichtet und eine von über 13.000 Menschen unterzeichnete Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Hauptkritikpunkt ist wiedermal der übermäßige Datenhunger des Staates. Ob die Gegner mit ihrer Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht durchkommen, ist noch unklar. Wenn ja, wird der Zensus 2011 sicher entschärft und einige Jahre später stattfinden.

6 Kommentare


  1. „So wird z.B. damit gerechnet, dass ca. 1,3 Millionen Menschen weniger in Deutschland leben als angenommen.“
    – klingt irgendwie lustig der Satz, denn wenn man „damit rechnet“, dass n – 1,3 Mio Menschen hier leben, warum ist dann nicht n – 1,3 Mio die „angenommene“ Zahl? 😉

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    1. Das sind ja nur Schätzwerte. Also ist das Verb „gerechnet“ von mir falsch gewählt. Geschätzt wäre besser. Genauso können auch 1,3 Mio mehr Menschen in Deutschland wohnen. Ich bin kein Statistiker, aber es gibt da soetwas wie einen Faktor, der beschreibt, wieviel Prozent pro Jahr falsch weitergezählt wird. Nach über 20 Jahren Fortschreibung und keiner Kontrolle der Daten summiert sich das dann auf und ist in diesem Falle recht groß geworden. So lange die Zahlen allerdings nicht bewiesen wurden, muss mit der bisherigen offiziellen Zahl weitergerechnet werden. Deine Rechnung funktioniert da leider nicht.

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  2. Es droht leider nicht nur ein Bußgeld, sondern ein Zwangsgeld. Will heißen: Man kann sich aus der Auskunftspflicht nicht durch Zahlung „herauskaufen“.

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    1. Bis zu 5.000 Euro sind aber auch eine hohe Summe, um keine Fragen zu beantworten. Die juristischen Unterschied zwischen Zwangs- und Bußgeld kenne ich noch nicht.

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