Sabotage am Schlauch

Es ist 9:40 Uhr. Sie konnte ausnahmsweise mal ausschlafen, bevor sie zur Uni musste. Doch nun muss sie sich beeilen, um noch rechtzeitig mit dem Rad von Schönwalde II in die Innenstadt zum Hörsaal zu kommen. Über die Treppen geht es fünf Stockwerke nach unten. Ihr Fahrrad hat sie aus Angst vor Diebstahl im Flur neben weiteren Rädern abgestellt und angeschlossen. Vor wenigen Wochen wurde über Nacht das Fahrrad des Mitbwohners ihres Freundes geklaut. Sein fünftes Rad, wie er sagte. Seitdem stellt sie ihr Rad drinnen ab. Sie hat schon öfter im Flur geparkt. Zwar wird dadurch der vorhandene Platz etwas beengt, aber bisher hat sich noch niemand deswegen beschwert. Und wenn da schon Kinderwagen und andere Fahrräder stehen, wird das niemanden stören, dachte sie.

Kaputter FahrradschlauchMit dem Schlüssel schließt sie das Fahrradschloß auf, schiebt das Rad aus dem Wohnblock raus und setzt sich drauf. Sofort bemerkt sie, dass etwas nicht stimmt. Der Vorderreifen ist viel zu elastisch – nein, er ist komplett platt. „Na super„, dachte sie. War sie gestern wohl durch eine der vielen Scherben in Greifswald gefahren. Pech.

Die 10 Uhr Vorlesung konnte sie knicken. Also marschierte sie das Fahrrad schiebend Richtung Innenstadt. Am ersten Fahrradladen hielt sie an und ließ ihr Rad begutachten.  „Ihre Ummantelung ist ja ganz rissig. Bei Frost kann das dazu führen, dass der Reifen Schaden nimmt“, so der Fachmann. Das Rad läßt sie da und sich nicht nur einen Schlauch raufmachen, sondern auch wieder einen dieser unkaputtbar Mantel.

Etwas über 40 Euro muss sie später am Tag dafür zahlen. Abends fährt sie wieder raus zu ihrem Freund. Den nächsten morgen muss sie im Elisenpark arbeiten, das ist von ihm nur noch wenige Minuten entfernt. Praktisch.

Nächster Tag. Es ist 8:45 Uhr, der Aushilfsjob im Parfumgeschäft ruft. Dort muss sie die Kunden in einem Drogeriegeschäft bedienen und ihnen duftende Weihnachtswünsche erfüllen. Als sie ihr Fahrrad nimmt, glaubt sie nicht, was geschehen ist. Der Hinterreifen ist leer. „Schon wieder ’ne Scherbe?“ Sie kommt zu spät zur Arbeit und fängt sich deswegen einen Anschiss ein.

Ungläubig, ob des seltsamen Zufalls, versucht sie am Abend zusammen mit ihrem Freund, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Zusammen machen sie sich dran, den Reifen abzumontieren und zu überprüfen. Das Abschrauben gestaltet sich schwieriger als angenommen. Eine Nachbarin kommt herunter und sieht die beiden. Die Studentin will ebenfalls an ihr Rad, nimmt es, hockt sich hin und fängt an mit einer Luftpumpe ihren Reifen aufzupumpen. Der Groschen fällt.

Äh…hast du auch ’nen Platten?“ „Ja, gestern auch schon, aber frisch aufgepumpt war alles wieder ok. Jetzt muss der Reifen über Nacht Luft verloren haben.“ „Bei mir war gestern morgen der Vorderreifen kaputt und heute dis Hinterrad. Da stimmt doch was nicht.“ „Vielleicht dreht hier auch jemand die Ventile raus… zumindest hatte ich den Verdacht.“

Da sie das Hinterrad nicht abmontiert bekam, entschied sie sich das Rad mit plattem Hinterreifen über Nacht stehen zu lassen. Als ihr Freund am nächsten Morgen um 7:45 Uhr das Haus verlässt, prüft er ihre Reifen. Nun ist auch das neue Vorderrad platt. Das Ventil ist entfernt und findet sich nicht auf.

Wer ist der mysteriöse Luftablasser? Wer braucht so dringend Luft, dass er sie stehlen muss? Ein nationaler Nachbar? Zumindest deren Fahrräder waren von der Luftablassaktion nicht betroffen. Die Sabotage am Schlauch wird wohl nie aufgeklärt werden oder doch?

Bild: Cpt.Hook via Flickr unter Creative Commons Lizenz 2.

2 Kommentare


  1. Wahre Geschichte?!?

    Ich jedenfalls würde so einem Ventilklauer den Hals umdrehen, wenn ich so einen erwische. Ich hatte auch mal eine Platten-Serie mit meinen Hinterreifen und es war eine Qual das Ding wieder gerade zu kriegen. Am nächsten Morgen waren dann alle Ventile in der gesamten Straße weg und ich musste wieder das nervige Hinterrad aus- und einbauen. Ventilklau sollte mit der Todesstrafe geahndet werden!

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