Rostock – Die Anti G8 Demo

Als Teilnehmer der gestrigen Demonstration in Rostock gegen den G8 Gipfel muss ich mich nun auch mal zu Wort melden. Was da teilweise in den Medien verbreitet wird, ist so nicht ganz richtig.

Schon im Vorfeld der Demonstration gab es ein massives Polizeiaufgebot, das wohlmöglich potentielle Gewalttäter rausfiltern sollte. Als ich Freitag mit dem vorletzten Regionalexpress aus Hamburg nach Rostock fuhr, standen an jedem Bahnhof nach der ehemaligen innerdeutschen Grenze mindestens 50 schwer gepanzerte Polizisten und haben dort gewartet.

Ein Lob Tadel geht dann übrigens auch noch raus an die Deutsche Bahn, die mal wieder die Dimensionen unterschätzt hat. Schon im Hamburger Hauptbahnhof dem Start des Regionalexpresses mussten dutzende Leute draussen bleiben, weil der Zug überfüllt war mit anreisenden Demonstranten und normalen Pendlern.

Anti G8 Demo

Okay, nun aber zur Demo am 2. Juni 2007. Am Rostocker Hauptbahnhof startete einer von zwei Demonstratiosnzügen Richtung Hafen. Ich lief sehr weit vorne in diesem Zug mit. Weder dort noch während der Demonstration war die Polizei spürbar anwesend. Der Einsatz beschränkte sich auf weniger Einsatzkräfte, die ab und zu am Streckenrand standen. Nur vor dem Hotel der Delegation aus den USA waren sie verständlicherweise präsenter als zuvor. Aber es geschah nichts. Der riesige „schwarze Block“ mit wahrscheinlich 2000 – 3000 Mitgliedern blieb ruhig. Vereinzelt wurden Parolen gerufen, mehr aber nicht.

Als wir dann am Ort der Abschlußkundgebung ankamen, fingen nach 10 Minuten die Ausschreitungen an, über die ja so ausführlich berichtet wird und wurde. Was ich sehen konnte, war daß dort, wo der zweite Demonstrationszug ankam, vereinzelt Steine, Flaschen und Stöcker durch die Luft in Richtung Polizei flogen. Diese rückte dann in mehreren Gruppen gegen die Aggressoren vor. Allerdings nicht nur gegen diese, sondern auch gegen die friedlichen Teilnehmer der Demo. Die Polizei lief in Gruppen von 20 bis 50 schwergepanzerten Leuten auf den zentralen Platz und sorgte für Tumulte vor der Bühne. Dort wurde zugeschlagen und mit Pfefferspray vorgegangen.

Ant G8 Demo

Die dabei angewandte Taktik der Polizei hielt dann den ganzen Abend an. Wozu sie diente hab ich nicht begriffen. Es sah ungefähr wie folgt aus: In einer kleinen Gruppe auf den Platz laufen, sich dann von Demonstranten, die laut „Haut ab!“ rufen, einkesseln lassen, dann wieder vorpreschen, zurücklaufen, mit Steinen bewerfen lassen, vorpreschen, erneut einkesseln lassen, zur Strasse und den Kollegen durchbrechen, um nach einer Pause wieder auf den Platz zu stürmen und erneut einkesseln zu lassen. Dies geschah dann ca. 20mal.

Es war ganz klar, daß die Polizei auf diesem Platz nicht gern gesehen war. Warum sie dann immer wieder dort in Kampf-Montur erschien und zuschlug, weiß ich nicht. Dadurch wurde die Stimmung nur gereizter und viele Protestler sympatisierten mit den Steineschmeissern. Wo die Polizei vorher de-eskalierend wirkte, war dieses Vorgehen eher eskalierend. So wurden die Ausschreitungen auch immer brutaler und krasser. Die Steine flogen prasselten nun wie Regen auf die Polizisten. Allerdings nicht nur auf diese. Zahlreiche Steine trafen Demonstranten. Ich selbst habe in der ersten Phase des Kampfes, denn so einer war das inzwischen, zwei von Steinen Verletzte gesehen. Steineschmeisser aus 50 bis mehr Meter Entfernung konnten, ja nur „eigene Leute“ treffen. Idioten!

Anti G8 Demo

Das brennden Auto (ja, es war nur eins!!!) und den Wasserwerfereinsatz der Polizei verfolgten wir live im TV während einer Aufwärm- und Teepause. In diesem Moment hätte ich als Verantwortlicher, die Veranstaltung beendet. Nach dieser Szene und dem startenden Musik-Programm auf der Bühne beruhigte sich die Sache. Zwar führte die Polizei noch weiter ihre oben beschriebene Taktik durch, aber es wurde insgesamt ruhiger. Irgendwann zogen sich dann die Beamten und die Wasserwerfer zurück. Die vorher gegenüberstehenden Demonstranten waren genauso schnell verschwunden. Nach dem letzten Auftritt zerstreute sich die Menge und reiste ohne Personenkontrollen (Danke liebe Polizei!) ab. In der Stadt soll es dann nachts ja noch relativ ruhig geblieben sein.

Weitere Beobachtungen: Von, in den Medien erwähnten, Mollowtowcocktails war nichts zu sehen. Leicht brennbare Papiercontainer waren nicht geleert oder mit Wasser unbrennbar gemacht worden. Der Einsatz der Polizei war wiedermal gegen normale Demonstranten gerichtet, wie z.B. die Wasserwerfer, die bis ca. 50m vor die Bühne in die feiernde Menge fahren.

Als Fazit möchte ich sagen, daß ich die Gewalt des schwarzen Blocks nicht gut heissen kann, aber auch den Einsatz der Polizei nicht vestehe. Aber wie kann man als Veranstalter so blind sein und nicht mit Ausschreitungen rechnen? Gerade nach der Demo in Hamburg am Montag. Naja, unbegreiflich. Ich hoffe, daß die nächsten Protesttage friedlicher zugehen werden.

Auf meiner Flickr-Seite gibt es weitere Bilder zu sehen.

8 Kommentare



  1. „Als sich schließlich ein Versagen der Polizeitaktik abzeichnete, wurde der bayerische Polizeiführer des Einsatzes demnach durch einen Berliner Polizeioffizier abgelöst.“ (Quelle: tagesschau.de)

    Das erklärt zumindest, warum die Polizeitaktik sich plötzlich geändert hat. Das war bisher für mich (außer mit einer Verschwörungstheorie) nicht nachvollziehbar.

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  2. Die dabei angewandte Taktik der Polizei hielt dann den ganzen Abend an. Wozu sie diente hab ich nicht begriffen. Es sah ungefähr wie folgt aus: In einer kleinen Gruppe auf den Platz laufen, sich dann von Demonstranten, die laut “Haut ab!” rufen, einkesseln lassen, dann wieder vorpreschen, zurücklaufen, mit Steinen bewerfen lassen, vorpreschen, erneut einkesseln lassen, zur Strasse und den Kollegen durchbrechen, um nach einer Pause wieder auf den Platz zu stürmen und erneut einkesseln zu lassen.

    Ich habe mich dieses Wochenende zwar auch gekloppt, war aber ja nicht bei den Demos dabei. Aus einem interessanten Artikel in der SZ zitierend:

    Immer wieder stürmen Stoßtrupps der Polizei in die Menge und greifen sich, wen sie kriegen können.
    Süddeutsche Zeitung, 03.06.2007: „Krawalle in Rostock / Als der Hafen nicht mehr sicher war“

    Ob’s was bringt, wenn sie die meisten Krawallmacher noch am selben Tag gehen lassen müssen, sei dahingestellt. Ich kann die Forderungen des Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft nach Gummigeschossen gut nachvollziehen (was nichz heißt, dass ich sie gutheiße).

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