Streckenabschnittsgedanken

Der Zug der Regionalbahn fährt unruhig im Gleis. Irgendwo im Osten. Meck-Pomm. Vorbei an verlassenen LPGs, zugenagelten Häusern und Bahnsteigen, die, so scheint es, mitten im Feld liegen. Die Gegend menschenleer. Vereinzelt steigt mal jemand ein oder aus. Das hier ist No-Go-Area. Industrieruinen stehen neben neu entstehenden, überflüssigen Bahnhofsuntertunnelungen. Gleis 3 und 4 werden soeben abgerissen. Hier gucken die wenigsten Menschen freundlich oder gut gelaunt. Noch immer viele graue Häuser. Noch immer Osten. Ostdeutschland. Ein Landesteil mit extrem negativem Image. Da soll von Nazis nur so wimmeln. Der Aufbau Ost kommt angeblich auch nach 16 Jahren nicht voran. Migration von Ost nach West. Die Zugverbindung ist bescheiden. Während man mit dem Auto über die neue Osteseeautobahn ca. 2,5 Stunden von Hamburg nach Greifswlad braucht, sind es im Regionalverkehr der Bahn 4 Stunden und 15 Minuten. Mit dem IC geht es nicht wesentlich schneller. Nur bequemer. Einmal umsteigen fällt aus.

IC 2379 Stralsund – Hamburg. Mal wieder das typische Gespräch von Menschen ab 50 (?). Die vier kommen gerade aus Rostock von einer Kur (?) und sind auf dem Heimweg nach Pinneberg bzw. Aschaffenburg. Hessischer Akzent trifft auf Hamburger Schnack. Das Thema: Krankheiten, Cholesterin, sowie die Kosten spezieller Massagen. Die beiden Männer kommen aus der Schuhbranche und unterhalten Schuhgeschäfte. Ab und zu gibt es noch Fachgesimpel über die wirtschaftliche Lage in Pinneberg oder das Schuhgeschäft in Aschaffenburg.

Der Zug fährt durch eine ostdeutsche Idylle. Ein Haus mit kleinem Garten in dem eine Frau gerade das Unkraut zwischen dem Gemüse zupft. Der Zug steht und wartet. Worauf ist nicht ganz klar. Immerhin ist dies ein Intercity. Also der kleine Bruder vom ICE. Nur ein wenig langsamer. Trotzdem scheint die Fahrt ewig zu dauern. Es geht weiter. Der Zwischenstop neben dem Haus ist nicht zu erklären. Als ob der Lokführer sagen wollte, guckt mal, der Osten lebt doch. Hier, seht es euch an!

Das Gespräch wandert von Cholesterin zu Ladenöffnungszeiten. Noch knapp 1 Stunden zu fahren. „Wieviel Leute arbeiten bei Ihnen“ „Äh…vier Leute und Isch!“ Ja, wir lieben den hessichen Akzent, gell?! Und wieder warten. Ein vorrausfahrender Güterzug, so der Lokführer, sorgt für Stau auf dem Gleis. „Bobingen….“ „Da ist der Roy Black….“ Gesprächsfetzen in meinem Ohr. Ich sitze am Laptop und weiß nicht, ob ich weiter mein Lachen und die Kommentare unterdrücken bzw. leise halten kann. Die Frau am vierer Tisch neben mir guckt jedesmal, wenn ich leise lache, amüsiert zu mir rüber. Die Fahrt geht weiter.

3 Kommentare


  1. boah, voll der lange text und voll poetisch…ich bin total geflasht. übst du für die jägermeisterschaft?

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    1. Naja, was man halt so während ner Bahnfahrt schreibt, wenn man nicht gerade den Spiegel von vorne bis hinten komplett durchliest. Jägermeisterschaft? Ich kenn doch zur Zeit nur Nummernsaufen…

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      1. google das doch!

        ich habe ja immer folgende taktik beim bahnfahren: nehme ungefähr 20 kilo gepäck zusätzlich mit (laptop, aktenordner, etc.) zum „arbeiten“. dann packe ich alles aus, merke das ich keine lust habe das zu machen und lese bahnmobil oder so.

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